Zur Malerei von Eva Lammers

   

Ein Weg durch den – so häufig konstatierten – Tod der Malerei in die neue, plurale Welt der Kunst.

Der Start liegt nicht am Nullpunkt. Alte Rechnungen sind offen: Vorstellungen geprägt von und gegen die Entwicklungen der Moderne.

In dieser Situation arbeitet Eva Lammers in Serien. Sie stellt sich bewusst gegen die Leere künstlerischer Markenzeichen oder überkommener Akademismen und sucht für jede Serie die passenden Mittel. Alles ist erlaubt, die Auswahl wird anhand der Bildidee getroffen. Die Ideen entstammen Erlebnissen des täglichen Lebens Eva Lammers. Abseitigkeiten, Kontingenzen, lustvolles Spiel, vorgeformtes Bildgut wirken zusammen und können kombiniert werden zu einem Bildprojekt, das seine Quellen nicht mehr zeigt.
Es entstehen Bedeutungsträger, die in heterogenen Inhalten kumulieren.

So zeigt die Serie „Grete rot weiß blau“ fünf Arten Kleine-Mädchen-Zöpfe zuflechten in den heraldischen Farben rot, weiß, blau. Die Zöpfe rufen dabei ein Streifenthema auf. Die Streifen werden verbogen, geflochten, in die dritte Dimension gebracht, ist der Sprung vom Abstrakten ins Gegenständliche oder umgekehrt. Die Bilder bieten unterschiedliche Möglichkeiten der Assoziation; sie sind unter anderem witzige, bildliche Polemiken gegen die frühere Kunstpraxis, mit Streifen letzte Bilder, erhabene Kunst zu schaffen. Die Entscheidung über die Bedeutungshaltigkeit bleibt für den Betrachter offen.

Ein wesentliches Merkmal der Malerei Eva Lammers ist also das Miteinander von Abstraktion und Gegenständlichkeit. Das ist auf der einen Seite ein verinnerlichtes Studium abstrakter Mittel und abstrakter Formen als Thema, wie die Streifen oder das Erarbeiten skriptoraler Formen aus der Bewegung, die gerade das Sehen realer Bilderlebnisse auf der Seite auslösen können. In der Ablehnung reiner Abstraktion, deren Möglichkeiten als ausgeschöpft und leer erfahren wurden, wird das Abstrakte trotz der eingeführten Gegenständlichkeit präsent gehalten.

In den Landschaften aus der Serie „Ü“ – der Name steht für ein zusammengesetztes Zeichen – präsentiert die Künstlerin die Gegenstände ihrer Bilder in unterschiedlichem Grade abstrahiert.

 

Das Bild klappt: Einerseits eine Ebene von Bergen beschlossen, von seltsamen Kugeln dominiert – oder andererseits eine Art Landkarte, die Aufteilung der Felder zeigt, kryptische Wege...
Die Situation, die als Initialzündung gedient hat, ist nicht mehr rekonstruierbar, sie ist weggemalt, für das Publikum nicht einsehbar.
Das Bild wirkt geheimnisvoll.

Die Tatsache, dass sich die Informationen über Gegenstände nicht zu einem verständlichen Bild fügen, lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf formale Entsprechungen, Farbkontraste, Komposition, etc. – ein komplexes Angebot, in dem sich Eva Lammers Fabulierlust und Witz zeigen und das den Betrachter einlädt, sich einen eigenen Zugang zum Bild zu schaffen.
Die Bildidee ist im Augenblick gesehen, die Umsetzung ein langwieriger Prozeß. Mit Hilfe von Zeichnungen werden für die Gegenstände, für die räumliche Situation, Formulierungen erarbeitet und zum Bild zusammengesetzt.
Letztendlich wird das Bild dann großzügig, in einem Satz gemalt, um wieder die Frische des ersten Bildeindrucks zu gewinnen.
Die Malweise ist unprätentiös, untergründig ist jedoch die Sorgfalt der Vorarbeiten zu spüren.

Die Schlauchformen in der Flächigkeit des Bildes wirken fremd, Linien schlängeln durch das Bild laufend, offen, suchen – Zeichen in den das Bild seine Zweiheit herausstellt: Es zeigt Bildgegenstände und sich selbst als Gegenstand, und wird Bild für die Suche nach einer zeitgemäßen möglichen Malerei.

Vom Erlebnis zur Idee schreitend, Ereignisse zurücklassend, neuen Erlebnissen entgegen. Die Suche bleibt spannend.

April 1998, Klemens Walter

     

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